Revolutionäre Wertschöpfungsnetzwerke für die Automobilindustrie
Der globale Wettbewerbsdruck steigt und traditionelle Mobilitätskonzepte verlieren zunehmend an Akzeptanz. In diesem Spannungsfeld setzt das Forschungsprojekt "Intelligente Wertschöpfungsnetzwerke für Leichtbaufahrzeuge geringer Stückzahl" (IntWertL) an, gefördert durch das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz im Rahmen des Konjunkturpakets 35c.
Seit dem Projektstart im September 2022 bis zum geplanten Ende im Februar 2026 verfolgt IntWertL das Ziel, eine digitale Entwicklungs- und Produktionsplattform aufzubauen, die speziell auf kleine und mittelständische Unternehmen (KMUs) aus der Automobil- und Zuliefererindustrie zugeschnitten ist. KMUs sollen sich auf der Plattform zusammenschließen können, um Use-Case optimierte Fahrzeuge in kleinen Stückzahlen kosteneffizient herzustellen. Mit der prototypischen Entwicklung dieser Plattform, die auf der Projektportfoliomanagement-Software (PPM-Software) Engenion basiert, beteiligt sich GFT aktiv an diesem Projekt. Ein erster Prototyp wurde beim Konsortialtreffen im September in Konstanz vorgestellt.
EcoVity: Digitale Entwicklungs- und Produktionsplattform für KMUs
Aus dem Forschungsprojekt IntWertL ist die Vision Ecovity entstanden. Ecovity hat zum Ziel eine bahnbrechende digitale Plattform zu entwickeln, welche den Fahrzeugherstellungsprozess revolutionieren und damit eine neue Ära der Mobilität begründen soll. Innovative Mobilitätslösungen in Kleinserie können damit effizient und nachhaltig umgesetzt werden.
Die Plattform soll fertigende Unternehmen und Engineering-Dienstleister befähigen in kooperativen Ansätzen, komplexe Produkte in kleinen Stückzahlen anzubieten und damit ihre globale Wettbewerbsfähigkeit zu steigern. Auf der Plattform sind dabei unterschiedliche Personas vertreten. KMUs können hier als Integratoren oder Serviceanbieter auftreten und sich zu Wertschöpfungsnetzwerken zusammenschließen, die verteilt Aufträge für die Entwicklung und Produktion von Leichtbaufahrzeugen kostengünstig durchführen. Eine genaue Beschreibung der Personas auf der Plattform befindet sich hier.
PPM-Software Engenion bildet die Basis der Plattform
Ein erster Prototyp der Plattform wird mit Engenion umgesetzt. Dabei werden grundlegende Konzepte, welche im Rahmen des Forschungsprojektes erarbeitet wurden, in die Software integriert.
Vorteile der digitalen Plattform
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Reduktion der Eintrittsbarrieren in Form von Vorinvestitionen: Die digitale Plattform senkt die Vorinvestitionen drastisch und ermöglicht eine verteilte Entwicklung und Produktion. Das reduziert die Eintrittsbarrieren für KMUs und steigert ihre globale Wettbewerbsfähigkeit. So können KMUs selbst zu Original Equipment Manufacturers (OEMs) werden und komplexe Produkte anbieten.
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Effizienzsteigerung und verkürzte Entwicklungszyklen: Durch die Nutzung der Plattform werden Entwicklungszyklen drastisch verkürzt und Kosten gesenkt. Die Struktur, die Projekte in Objekte, Aktivitäten und Kosten unterteilt, basiert auf der PPM-Software Engenion, die speziell für die Anforderungen der Fahrzeugindustrie entwickelt wurde.
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Effizienter Anfrage- und Auftragsprozess: Serviceanbieter können sich mit einem Kompetenzprofil auf dem Marktplatz präsentieren. Die Plattform gleicht die Anforderungen der Aufträge mit den Fähigkeiten der Serviceanbieter ab und schlägt passende Dienstleister vor. So wird der Anfrage- und Auftragsprozess effizienter gestaltet.
Die zentralen Elemente der Plattform umfassen:
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Projektverwaltung: Innerhalb der Plattform können Aufträge verwaltet und in Objekte, Aktivitäten und Kosten strukturiert werden. Objekte repräsentieren dabei die Baugruppen und Bauteile eines Fahrzeuges. Über die Aktivitäten können Aufträge von Serviceanbietern koordiniert werden – von der Anfrage und dem Angebot, über die Auftragsabwicklung bis hin zur Rechnungsstellung. Außerdem ist es möglich Bauteil relevante Informationen, z.B. Materialien oder CAD-Dateien, an die Objekte anzuhängen. Dies fördert eine detaillierte Planung und Koordination von Projekten.
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Kompetenzprofile und Matching: Entwickelnde und produzierende Unternehmen (Serviceanbieter) erstellen Kompetenzprofile, die für die effiziente Zuordnung zu passenden Aufträgen genutzt werden. Über ein Kompetenz-Matching werden passende Serviceanbieter für die Anforderungen des jeweiligen Auftrags gefunden und angefragt. Auch dynamische Randbedingungen, wie die aktuelle Kapazität, können dabei berücksichtigt werden.
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Projektstatus-Management: Die Plattform ermöglicht die Erstellung von Risikoberichten zu einzelnen Projekten. Dadurch werden alle beteiligten Partner über den aktuellen Projektstatus informiert.
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Nutzung des betriebseigenen ERP-Systems: Eine erste offene Referenzschnittstelle bietet Dienstleistern die Möglichkeit, Kundenaufträge automatisch im unternehmenseigenen ERP-System zu erstellen.
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Automatisierte Workflows und aktuelle Informationen: Die Plattform unterstützt eine benutzerspezifische Koordination, die den Arbeitsablauf automatisiert. Nutzer erhalten so Informationen über Neuigkeiten in ihren Projekten sowie über anstehende Tasks. Erhält ein Serviceanbieter beispielsweise eine Anfrage für einen Auftrag, so wird er vom System über einen Task dazu aufgefordert, die Anfrage zu bearbeiten.
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Kommunikations-Kanal: Ein Discussion-Board fördert die effiziente Kommunikation zwischen Integratoren und Serviceanbietern. Dabei können alle an der Umsetzung eines Projekts beteiligten Entwicklungs- und Produktionsunternehmen in die Kommunikation einbezogen werden.
Entwicklung der Plattform und Anwendungsfälle
Für die Entwicklung der Plattform wurden realitätsnahe Anwendungsfälle von Konsortialpartnern aus der entwickelnden und produzierenden Industrie erarbeitet und zur Verfügung gestellt. Bei einem dieser Anwendungsfälle handelt es sich um den Umbau von Bäckereifahrzeugen, deren neuinstallierter Kofferaufbau den sicheren Transport von Rollbehältern ermöglicht. Zudem sollen hier die Chassis der Fahrzeuge so umgebaut werden, dass unter Berücksichtigung des Leichtbaus der Fahrzeuge ein elektrischer Antriebsmotor sowie Batteriemodule integriert werden können.
Der Informationsaustausch für diesen und weitere Anwendungsfälle soll zukünftig über Ecovity laufen. Die Plattform unterstützt hierbei die Zusammenarbeit aller beteiligten Partner.
Ein Modellprozess, der die Entwicklung, Simulation, Produktion und Vermessung eines Bauteils in einem verteilten Netzwerk aus vier Serviceanbietern beschreibt, dient als Blaupause für die Plattformentwicklung. Dies stellt sicher, dass die Plattform praxisnah und effizient gestaltet ist.
Die Benutzeroberfläche von Engenion ermöglicht die übersichtliche Darstellung der Kosten von Projekten. Dabei sind die Kosten in unterschiedliche Kategorien unterteilt. Zudem werden die Kosten für einzelne Bauteile detailliert dargestellt.
Das Beispiel veranschaulicht die Projektkosten für ein Fahrzeugprojekt, bei dem vier Objekte – Chassis, Antrieb, Bremsen und Konsole – bearbeitet werden. Die Kosten werden detailliert aufgeschlüsselt, sodass stets eine klare Übersicht über die Projektausgaben gegeben ist.
Die Plattform wird kontinuierlich weiterentwickelt, um die Usability und die bestehenden Module stetig zu optimieren. Aktuell entsteht ein Wireframe für die Produktionsplattform, der es ermöglicht, Produzenten anhand von Kriterien wie Distanz, Fertigungsverfahren, Oberflächengüte und Zertifizierungen per Algorithmus zu finden.
Co-Autor:
John David Geiger