T+1-Settlement: Was Finanzunternehmen wissen müssen
Die Finanzwelt in Europa steht vor einem bedeutenden Umbruch: dem Übergang vom aktuellen T+2- zum T+1-Settlement. Kürzere Abwicklungszeiten bringen mehr Effizienz und weniger Risiko, stellen Finanzunternehmen jedoch vor organisatorische und technologische Herausforderungen.
Von regulatorischen Anforderungen bis zur Prozessautomatisierung – die Umstellung verlangt frühzeitige Anpassungen. Dieser Beitrag beleuchtet die Grundlagen von T+1, die globalen Entwicklungen und die Maßnahmen, die Unternehmen ergreifen sollten, um nicht nur mit den Veränderungen Schritt zu halten, sondern daraus Wettbewerbsvorteile zu ziehen.
Was bedeutet T+1 im Detail?
T+1 steht für den Zeitraum zwischen dem Handelstag (T) und dem finalen Abschluss einer Transaktion. Das bedeutet, dass nach dem Kauf oder Verkauf eines Wertpapiers die endgültige Abwicklung bereits einen Tag später erfolgt. Derzeit nutzen die meisten Märkte in Europa und weltweit noch das T+2-Abwicklungssystem. Dabei erfolgt der Abschluss zwei Tage nach dem Handel.
Roadmap: Der globale Trend zur T+1-Abwicklung
Der Trend zur T+1-Abwicklung hat weltweit an Fahrt gewonnen. Die USA und Kanada haben den Übergang bereits im Mai 2024 erfolgreich abgeschlossen. Auch mehrere mittelamerikanische Länder planen die Einführung des neuen Abwicklungssystems für 2025. Die EU, die Schweiz und das Vereinigte Königreich prüfen die Umstellung auf T+1 bis spätestens Ende 2027.
Diese Umstellung wird den europäischen Markt nachhaltiger gestalten und ihn international wettbewerbsfähig halten. Weitere Märkte, wie Australien und Brasilien, verfolgen ebenfalls Pläne zur Einführung eines verkürzten Settlement-Zyklus.
Vorteile der T+1-Abwicklung
Der Umstieg auf T+1 bringt zahlreiche Vorteile für den Finanzsektor mit sich:
- Risikominderung: Da der Zeitraum zwischen Handel und Abwicklung verkürzt wird, sinkt das Kontrahentenrisiko.
- Effizienterer Kapitaleinsatz: Eine schnellere Abwicklung erhöht die Marktliquidität, weil Investoren schneller auf ihre Finanzmittel zugreifen können. Dies verbessert den Kapitaleinsatz erheblich.
- Geringere Margin-Anforderungen: Der schnellere Abschluss von Transaktionen minimiert das Risiko von Preisschwankungen und reduziert damit die Margin-Anforderungen.
- Modernere Infrastruktur: Die Einführung der T+1-Abwicklung erfordert eine Aktualisierung und Harmonisierung von Prozessen und Systemen. Das führt zu einer stärkeren Automatisierung und verbessert die Effizienz langfristig.
- Kosteneinsparungen: Weniger gebundenes Kapital und effizientere Prozesse bedeuten langfristige Kosteneinsparungen für alle Marktteilnehmer.
T+1: Herausforderungen und Maßnahmen für Finanzunternehmen
Trotz der erheblichen Vorteile bringt die Umstellung auf T+1 auch Herausforderungen mit sich. Unternehmen, insbesondere Banken, Verwahrstellen und Asset Manager, müssen ihre Systeme und Prozesse anpassen, um den neuen Anforderungen gerecht zu werden.
Zentrale Herausforderungen für Finanzunternehmen
- Regulatorische Anforderungen und Compliance: Die T+1-Abwicklung muss den aktuellen regulatorischen Anforderungen entsprechen. Vorschriften wie die CSDR (Central Securities Depositories Regulation), MiFID II, die EU-Prospektverordnung und die nationalen Richtlinien stellen dabei zusätzliche Herausforderungen dar.
- Anpassung der Arbeitszeitmodelle: Die kürzeren Fristen für die Abwicklung erfordern in einigen Unternehmen Anpassungen der Arbeitszeiten, insbesondere bei Fondanteilscheingeschäften. Eine enge Abstimmung zwischen Vertrieb und Verwaltung ist erforderlich, um die rechtzeitige Abwicklung sicherzustellen.
- Kommunikation und Prozessharmonisierung: Die Umstellung auf T+1 erfordert eine harmonisierte Kommunikation zwischen den Marktteilnehmern und eine weitgehende Automatisierung der Prozesse. Diese Veränderungen betreffen vor allem Service-Level-Agreements (SLAs) und allgemeine Geschäftsbedingungen (AGBs), die neu gestaltet werden müssen.
- Deadlines und Cut-Off-Zeiten: Verkürzte Zeitrahmen für Handelszeiten und -abschlüsse verlangen von Unternehmen eine exakte Abstimmung ihrer Zeitpläne. Besonders bei Devisentransaktionen über das CLS (Continuous Linked Settlement) und bei SEPA-Lastschriften für Euro-Zahlungen müssen neue Cut-Off-Zeiten eingeführt werden.
- Betroffene Prozesse im Backoffice: Zahlreiche Backoffice-Prozesse, wie die Berechnung des Nettoinventarwerts (NAV) und die Abwicklung grenzüberschreitender Geschäfte sowie Corporate Actions, müssen für die T+1-Abwicklung angepasst und automatisiert werden.
- Infrastruktur und Technologie: Eine moderne und flexible Post-Trade-Landschaft ist entscheidend, um die T+1-Abwicklung erfolgreich umzusetzen. Unterschiedliche Währungen, lange Abwicklungsketten und eine hohe Zahl kleiner Marktteilnehmer stellen besondere Anforderungen an die Infrastruktur.
Wichtige Schritte zur Vorbereitung auf T+1
Um auf die Umstellung vorbereitet zu sein, sollten Unternehmen die folgenden Schritte in Angriff nehmen:
- Betroffenheitsanalyse: Durchführung einer Analyse, um die Auswirkungen der T+1-Abwicklung auf die Fondsanteilsscheingeschäfte und die NAV-Berechnung zu identifizieren.
- Verwahrketten optimieren: Identifikation der Potenziale zur Effizienzsteigerung in den Verwahrketten.
- Abstimmung mit externen Partnern: Frühzeitige Abstimmung mit externen Partnern, um Prozessoptimierungen voranzutreiben.
- Beteiligung an Brancheninitiativen: Aktive Teilnahme in relevanten Arbeitsgruppen und Verbänden wie ESMA oder BVI, um von aktuellen Entwicklungen zu profitieren.
- Neue Technologien berücksichtigen: Innovationen wie digitale Fondsanteilsscheine können eine noch effizientere Abwicklung ermöglichen.
Fazit: Der Weg in die Zukunft mit T+1
Die Umstellung auf die T+1-Abwicklung ist ein entscheidender Schritt in Richtung einer effizienteren, schnelleren und sichereren Finanzwelt. Finanzunternehmen sollten sich frühzeitig mit den anstehenden Veränderungen auseinandersetzen und die nötigen Maßnahmen ergreifen. So können sie den Übergang reibungslos gestalten. Die Vorteile sind klar: geringere Risiken, höhere Effizienz und langfristige Kosteneinsparungen machen die T+1-Abwicklung zu einem bedeutenden Fortschritt für den globalen Finanzmarkt.