ESMA Report: Roadmap für die T+1-Einführung in Europa (Teil 2)
Dieser Artikel beleuchtet den von der Europäischen Wertpapier- und Marktaufsichtsbehörde (ESMA) vorgeschlagenen Fahrplan, analysiert internationale Entwicklungen und zeigt, welche rechtlichen, operativen und technischen Anpassungen notwendig sind. Die Herausforderungen und Chancen, die mit T+1 verbunden sind, werden im globalen Kontext diskutiert.
Anwendungsbereich von T+1
Der Anwendungsbereich von Artikel 5(2) der Central Securities Depositories Regulation (CSDR) bleibt bestehen. Nach der Einführung von T+1 gelten folgende Regelungen:
- Börsengehandelte Wertpapiere werden zukünftig mit T+1 abgewickelt.
- FI-Futures und SFTs können ebenfalls in den verkürzten Settlement-Zyklus integriert werden.
- Primärmarktgeschäfte, wie beispielsweise Fondsanteilsscheingeschäfte, bleiben weiterhin ausgenommen.
Vorgeschlagener Zeitplan für die Einführung von T+1 in der EU
Die Umstellung auf T+1 in der EU soll für alle Instrumente, die in den Anwendungsbereich von Artikel 5 Absatz 2 der CSDR fallen, zur gleichen Zeit erfolgen. Insgesamt wird die Migration von T+2 auf T+1 voraussichtlich 31 Monate ab der Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union (OJEU) in Anspruch nehmen.
Die ESMA schlägt vor, T+1 im vierten Quartal 2027 einzuführen, wobei November, Dezember und der Quartalswechsel aus organisatorischen Gründen vermieden werden. Der zweite Montag im Oktober, der 11. Oktober 2027, wurde als optimaler Termin identifiziert.
Roadmap zu T+1 in der EU
Die Roadmap zur Umsetzung von T+1 teilt sich in zwei Hauptkategorien:
Rechtliche Anpassungen
Die ESMA empfiehlt folgende Maßnahmen, um T+1 rechtlich abzusichern und die Effizienz in der Abwicklung zu steigern:
- Änderung von Artikel 5(2) der CSDR , sodass die Abwicklungsfrist für Transaktionen auf T+1 festgelegt wird, ohne den Anwendungsbereich der Transaktionen zu ändern.
- Allocation und Confirmation sollen bis spätestens zum Ende des Geschäftstages übermittelt werden.
- Keine strukturellen Änderungen: Der CSDR-Sanktionsmechanismus bleibt bestehen, jedoch mit einer moderaten Anhebung der Sanktionssätze (höher als die entsprechenden Leihesätze), um Anreize zur raschen Behebung von Abwicklungsfehlern zu schaffen.
Operative Maßnahmen
Die Marktteilnehmer müssen umfangreiche Anpassungen vornehmen:
- Entwicklung harmonisierter technischer Lösungen.
- Überarbeitung von Standards, Vertragswerken und Marktpraxen.
- Durchführung umfangreicher Tests für neue Systeme und Prozesse.
Drei Phasen der Roadmap
1. Planung: Fertigstellung der Definition von Lösungen für technische Herausforderungen
- Identifizierung technischer Anpassungen für CCPs, CSD und T2S.
- Identifizierung der Änderungen an den bestehenden Marktkonventionen, Standards und Praktiken.
- Festlegung der Leitung und des Zeitplans für die Industrietests.
2. Entwicklung: Implementierung von Lösungen
- Umsetzung der Änderungen in den Systemen der Marktinfrastrukturen und der einzelnen Unternehmen.
- Überarbeitung und Aktualisierung der rechtlichen Verträge und Vereinbarungen.
3. Test
- Laut ESMA soll die Testphase nicht weniger als sechs Monate dauern und Anfang 2027 beginnen.
Governance
Die Europäische Kommission und die EZB planen eine Governance-Struktur, die Vertreter der Branche, nationale Aufsichtsbehörden (NCAs) und Mitgliedstaaten umfasst. Diese Gremien sollen:
- technische Lösungen für T+1 entwickeln,
- die Umsetzung überwachen und
- die Tests vor der Einführung koordinieren.
Internationale Entwicklungen
Europa
- Großbritannien plant eine schrittweise Umstellung auf den T+1-Abwicklungszyklus bis spätestens Ende 2027. Ein Bericht der Accelerated Settlement Taskforce (AST) empfiehlt, ab 2025 zunächst Verhaltens- und Betriebsanpassungen umzusetzen, bevor die vollständige Umstellung erfolgt. Die AST-Technikgruppe, die die Umsetzung der Empfehlungen überwacht, hat am 27. September 2024 einen Entwurf veröffentlicht; der Abschlussbericht wird für Dezember 2024 erwartet.
- In der Schweiz wird eine Verkürzung des Abwicklungszyklus aus Wettbewerbsgründen diskutiert. Die Industrie fordert eine koordinierte Umstellung auf europäischer Ebene, insbesondere in Abstimmung mit der EU und dem Vereinigten Königreich.
Ostasien und Pazifik
- Australien verwendet seit 2016 T+2 für den Aktienhandel. Allerdings prüft Australien eine mögliche Umstellung auf T+1.
- In Japan gibt es Überlegungen, den Wechsel von T+2 auf T+1 zu diskutieren.
Nord- und Lateinamerika
- Am 27. und 28. Mai 2024 stellten die USA, Kanada und Mexiko gemeinsam auf den T+1-Abwicklungszyklus um.
- Jamaika, Peru und Argentinien folgten diesem Schritt ebenfalls: Die Jamaica Stock Exchange (JSE) und Argentinien führten T+1 am 27. Mai 2024 ein, während die peruanische Bolsa de Valores de Lima T+1 für bestimmte Segmente ab dem 28. Mai 2024 umsetzte.
- Die Umstellung in Nord- und Südamerika wurde durch die enge wirtschaftliche Verflechtung und das Ziel motiviert, die Marktstandards an die der USA anzupassen und die internationale Wettbewerbsfähigkeit zu stärken.
Indien
- Indien führte 2022 schrittweise die Umstellung von T+2 auf T+1 im Aktienhandel ein, die im Januar 2023 abgeschlossen wurde.
- Seit März 2024 testet die indische Aufsichtsbehörde SEBI ein optionales T+0-Modell für ausgewählte Instrumente und Broker, das neben dem verpflichtenden T+1-Zyklus besteht.
Fazit: Einführung von T+1 in Europa
Marktteilnehmer müssen in erheblichem Maße in die Automatisierung und Harmonisierung ihrer Prozesse investieren, um den Anforderungen des verkürzten Settlement-Zyklus auf T+1 gerecht zu werden. Dies stellt insbesondere kleinere Akteure und Teilnehmer, die in komplexen Wertpapierketten agieren, vor große Herausforderungen. Die erfolgreiche Umsetzung von T+1 erfordert zudem ein umfassendes Management der notwendigen Änderungen auf europäischer Ebene. Hierbei ist eine enge Zusammenarbeit zwischen Zentralbanken, Regulierungsbehörden und Marktteilnehmern essenziell, um reibungslose Abläufe sicherzustellen.
Langfristig bleibt eine weitere Verkürzung auf T+0 eine denkbare Option, die jedoch erst nach erfolgreicher Implementierung von T+1 geprüft werden kann. Die ESMA hat hierzu einen konkreten Projektplan entwickelt, der in drei Phasen unterteilt ist:
- In Phase 1, die bis Ende des dritten Quartals 2025 abgeschlossen sein soll, werden Prozesse und angepasste Marktstandards definiert.
- Darauf folgt Phase 2, in der die aktualisierten Prozesse bis Ende 2026 implementiert werden.
- Abschließend wird in Phase 3, die bis Ende des zweiten Quartals 2027 andauert, eine umfassende Testphase durchgeführt, um die Funktionalität und Stabilität der neuen Abläufe sicherzustellen.
Die ESMA schlägt vor, T+1 ab dem 11. Oktober 2027 verpflichtend in der EU einzuführen. Dieses Datum wurde mit Blick auf saisonale und operative Faktoren sorgfältig ausgewählt, um eine möglichst reibungslose Umstellung zu gewährleisten.
Alle Marktteilnehmer wurden nachdrücklich aufgefordert, den Bericht zur Verkürzung des Abwicklungszyklus als Grundlage zu nehmen, um unverzüglich mit der Vorbereitung und Umsetzung operativer Anpassungen zu beginnen und nicht auf den Abschluss des regulatorischen Prozesses zu warten, der möglicherweise erst 2025 oder 2026 erfolgen wird.
Marktteilnehmer sollten demnach frühzeitig mit der Planung und Umsetzung beginnen, um Herausforderungen zu bewältigen und Chancen optimal zu nutzen.
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Das Original Dokument der ESMA finden Sie hier.
FAQ zu T+1
1. Was bedeutet T+1 im europäischen Kontext?
T+1 bezeichnet einen verkürzten Settlement-Zyklus, bei dem Wertpapiertransaktionen einen Tag nach dem Handelsabschluss abgewickelt werden.
2. Wann wird T+1 in Europa eingeführt?
Die ESMA schlägt den 11. Oktober 2027 als Einführungstermin vor. Dieser Zeitpunkt wurde gewählt, um saisonale und operative Herausforderungen zu minimieren.
3. Welche Wertpapierarten sind von T+1 betroffen?
- Börsengehandelte Wertpapiere
- FI-Futures
- SFTs (Securities Financing Transactions)
Primärmarktgeschäfte wie Fondsanteilsscheine sind ausgeschlossen.
4. Welche Schritte sind zur Einführung von T+1 notwendig?
Die Einführung von T+1 umfasst drei Phasen:
- Planung: Definition technischer Lösungen und Änderungen an Standards.
- Entwicklung: Implementierung von Systemanpassungen und rechtlichen Änderungen.
- Test: Durchführung einer mindestens sechsmonatigen Testphase vor der Einführung.
5. Welche Herausforderungen bringt die Umstellung auf T+1 mit sich?
- Hoher Investitionsbedarf für Automatisierung und Harmonisierung.
- Anpassung bestehender Marktkonventionen und Prozesse.
- Belastungen für kleinere Marktteilnehmer, die begrenzte Ressourcen haben.
6. Welche Vorteile bietet T+1?
- Geringere Risiken durch kürzere Abwicklungszeiten.
- Erhöhte Effizienz und Harmonisierung der Abwicklungsprozesse.
- Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit des europäischen Finanzmarktes.
7. Was ist der Unterschied zwischen T+1 und T+0?
Bei T+1 erfolgt die Abwicklung einen Tag nach Handelsabschluss. T+0 hingegen beschreibt die Abwicklung am selben Handelstag. T+0 wird aktuell in einigen Märkten wie China getestet, ist aber komplexer in der Umsetzung.
8. Wie beeinflusst T+1 internationale Märkte?
T+1 sorgt für eine Angleichung an andere Märkte wie die USA, Kanada und Indien, die bereits auf diesen Zyklus umgestellt haben. Dies fördert die globale Wettbewerbsfähigkeit und Marktintegration.